5G soll alles besser machen: Smartphone-Verbindungen schneller und zuverlässiger, Autos autonom, die Industrie effizienter. Glaubt man Experten, wird die fünfte Generation Mobilfunkstandard die Welt verändern. Die Regierung will sie so schnell wie möglich einführen, steht aber vor einigen Hürden.
Luxemburg wäre gerne Pionier. Gerne Vorreiter. Gerne Frühstarter, wenn es um den Ausbau des 5G-Netzes geht. So wünscht es sich zumindest die Politik. Denn das ist gut fürs Image. Wenn das kleine Großherzogtum das superschnelle Internet der fünften Generation rascher als andere Länder umsetzt, kann es auf der internationalen Bühne glänzen. Doch beim 5G haben längst andere Länder die Nase vorne. Und eine Aufholjagd wird schwierig.
Die blau-rot-grüne Regierung lässt sich davon aber nicht abschrecken. Premierminister Xavier Bettel (DP) hörte sich bei seiner Regierungserklärung gewohnt entschlossen an. „Wir warten nicht, bis ein neuer Markt entsteht. Wir werden sofort aktiv und wollen in der nächsten Legislaturperiode ein solches 5G-Netzwerk aufbauen.“ Dieses Netzwerk entsteht aber nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit. Zeit, die die Regierung eigentlich nicht hat, wenn sie tatsächlich noch Vorreiter sein will.
5G soll die Welt verändern
Der Begriff 5G taucht plötzlich überall auf – im Wahlkampf, im Koalitionsvertrag, in der Regierungserklärung. Was aber hat er zu bedeuten? Und warum ist er so wichtig?
Es handelt sich dabei um das Mobilfunknetz der fünften Generation. Es ist der Nachfolger des Mobilfunkstandards 4G und soll Daten (zum Beispiel beim Smartphone) schneller übertragen, Gebrauchsgegenstände miteinander vernetzen, den Energieverbrauch reduzieren. 5G erlaubt es den verbundenen Geräten praktisch in Echtzeit miteinander zu kommunizieren und kann mehr als ein Gigabit pro Sekunde übertragen. Roboter und Maschinen können aufeinander abgestimmt, selbstfahrende Autos über Sensoren untereinander und mit Straßen verbunden werden. Alles, was es dafür braucht, ist die nötige Technik – und ein gutes Netz.
5G wird als Netz der Netze gefeiert. Das war aber auch schon bei 3G und 4G so. Die Technologie entwickelt sich eben immer weiter. » Cliff Konsbruck, Post
Wenn die Voraussetzungen geschaffen sind, wird 5G die Welt von Grund auf ändern – da sind sich Experten sicher. Lauri Oksanen von Nokia Bell Labs sagte der « Süddeutschen Zeitung », dass es einen „ebenso großen Wandel“ mit sich bringen wird „wie das Internet für Konsumenten in den 1990er- und 2000er-Jahren.“
Von der Euphorie zu den Fakten
Was die einen als Hype zelebrieren, versuchen andere aber zu relativieren. So auch Cliff Konsbruck, Direktor von Post Telecom. « 5G wird als Netz der Netze gefeiert », sagt er. « Das war aber auch schon bei 3G und 4G so. Die Technologie entwickelt sich eben immer weiter. »
So sieht es auch Eric Krier vom staatlichen Service des Médias et des Communications (SMC): « Eine ähnliche Euphorie hatten wir bereits bei früheren Generationen. Wir müssen aber erst einmal abwarten, was überhaupt umsetzbar ist. Und was nicht. »
Das hört sich alles nicht nur anders an als der Tatendrang des Premiers. Sondern vor allem auch vorsichtiger. Denn damit 5G umgesetzt werden kann, braucht Luxemburg erst einmal die nötige Infrastruktur. Funklöcher müssen gestopft, neue Funkmasten dafür errichtet werden. Nur so können Objekte, Straßen, Gebäude miteinander verbunden werden. Und nur wenn das Netz zuverlässig ist, kann 5G sein volles Potenzial entfalten.
Was die Politik dabei nicht so gerne von sich aus erwähnt: Während andere Länder bereits dabei sind, diese Infrastruktur auf die Beine zu stellen, steht Luxemburg gerade einmal in den Startlöchern.
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Von Pilotprojekten und Testzonen
Dass das Land keine Vorreiterrolle einnimmt, zeigt sich auch daran, dass es erst noch Bedingungen zu erfüllen versucht, die von der EU vorgegeben worden sind. Laut EU-Aktionsplan « 5G für Europa » soll jeder Mitgliedstaat bis 2020 mindestens eine große Stadt mit 5G abdecken. Der Plan wurde im September 2016 von der EU-Kommission herausgegeben. Seitdem arbeiten alle EU-Länder an der Umsetzung.
In Luxemburg gibt es das nationale Projekt 5G seit September 2018 offiziell auf Papier. Die Entwicklungsstrategie hatte Xavier Bettel damals vorgestellt. Klar ist seitdem: 5G soll schon bald getestet werden. Geht es nach der Regierung, bereits Ende 2019. Dann sollen mehrere Pilotprojekte starten. Welche genau das sein werden, soll Anfang 2019 entschieden werden.
Klar ist auch: Fünf Standorte, an denen 5G getestet werden kann, sind bereits festgelegt worden. Einer in Kirchberg, einer an der Universität in Belval, einer bei CFL Multimodal in Düdelingen, einer am Automotive Campus in Bissen und einer an einer großen Verkehrsachse. Die Pilotprojekte können, müssen dabei aber nicht in diesen Testzonen stattfinden.
Was es für die Projekte aber braucht, sind die nötigen Frequenzbänder. Im ersten Quartal 2019 sollen die Bänder mit 3.6 Gigahertz und mit 700 Megahertz vom Institut de Régulation Luxembourgeois (ILR) an die Mobilfunkanbieter versteigert werden. Sie müssen dann investieren und die für 5G benötigten Antennen errichten.
Mobilfunkanbieter sind vorsichtig
Für den Ausbau des 5G braucht es demnach mehr als eine gute Idee – und mehr als einen Plan. Es braucht auch Akteure, die gewollt sind, diesen Plan umzusetzen. Nach ihnen wird momentan noch gesucht. Wichtige Mitspieler sind die nationalen Mobilfunkanbieter. Für sie ist 5G aber alles andere als attraktiv. Das weiß auch die Politik. So sagte Xavier Bettel im Interview bei RTL: « 5G ist eine Realität, in die viele Anbieter heute noch gar nicht investieren wollen. Weil die Nachfrage dafür noch nicht da ist. »
Dass 5G die Zukunft ist, dessen sind sich auch die Anbieter bewusst. Wann und wie sie sich die fünfte Generation Mobilfunkstandard aber bezahlt machen wird, kann niemand so genau sagen.
Privatleute werden nicht dazu bereit sein, mehr für ihre Abos zu zahlen. Sie erwarten sich vor allem, dass das neue System funktioniert – und zwar zum gleichen Preis. »Cliff Konsbruck
Eric Krier versucht zu nuancieren. « Die Anbieter sind nicht vom 5G abgeneigt. Für sie steht allerdings noch nicht fest, wie sie das Geld, das sie investieren werden, wieder einnehmen können », so der für Kommunikationsinfrastrukturen zuständige Beamte. Das Problem: Wer als Mobilfunkanbieter auf den 5G-Zug mit aufspringen will, muss nicht nur Bandbreiten kaufen, er muss auch Antennen im Land installieren. Je früher, desto besser. Denn wenn er es nicht tut, macht es die Konkurrenz. Doch der Einstieg ins neue Netz ist kostspielig.

Diesen Zwiespalt kennt Cliff Konsbruck. Bei der Post stelle man sich die Frage, wer bereit sein wird, für 5G zu zahlen. Viel Geld lässt sich zunächst noch nicht damit machen. Vor allem bei den Privatkunden sieht Konsbruck wenig Möglichkeiten. « Sie werden nicht dazu bereit sein, mehr für ihre Abos zu zahlen. Sie erwarten sich vor allem, dass das neue System funktioniert – und zwar zum gleichen Preis. » Wenn 5G Standard wird, müssen also auch die Preise Standard sein. Sonst findet die Innovation nur wenig Abnehmer.
Geld können die Anbieter nur im Business-to-Business-Bereich (B2B), also bei der Zusammenarbeit mit Firmen generieren. « 5G kann Objekte und Maschinen miteinander verbinden und sie aufeinander abstimmen. Außerdem wird die Latenzzeit massiv gekürzt – und das kann für Firmen, vor allem in der Industrie, zum Vorteil werden », sagt Konsbruck.
Wie schnell sich dieser B2B-Bereich entwickele, sei aber noch nicht absehbar. « Und deshalb sind die Anbieter momentan noch zurückhaltend », so Konsbruck weiter. « Zudem werden unsere Investitionszyklen immer schneller », sagt der Direktor von Post Telecom. Erst 3G, dann 4G, jetzt 5G. Die Zeitspanne, in der sich Investitionen lohnen müssen, wird immer kürzer. Und der Druck auf die Rentabilität wächst. Man wolle dennoch zwischen « 50 und 100 Millionen Euro » in 5G investieren, sagte Konsbruck dem « Land ». Das Investment ist demnach groß, der Profit noch ungewiss.
Kleines Land, große Vorteile
Doch Luxemburg hat gegenüber der Konkurrenz einen klaren Vorteil. Seine Größe. Als kleines Land ist es einfacher, ein Netz schnell auf nationaler Ebene auszubauen. Deshalb hat sich Luxemburg auch zum Ziel gesetzt, als erstes Land flächendeckend 5G anzubieten. Damit könnte man tatsächlich eine Vorreiterrolle einnehmen. « Unser Land braucht deutlich weniger Antennen als große Staaten, und etwa 60 Prozent aller Haushalte sind in Luxemburg bereits mit Glasfaser ausgestattet », so Pierre Goerens vom SMC. Die Umstellung kann demnach schneller vorangehen.
« Wenn wir jetzt erst einmal ins Rollen kommen, können wir andere Länder noch einholen », meint auch sein Kollege Eric Krier. Er selbst findet das Projekt, das der Premier im September vorgestellt hat und er seitdem mitentwickelt « ehrgeizig – aber nicht unmöglich ». Ehrgeizig auch deswegen, weil das SMC zwar den Plan für 5G aufgestellt, auf viele Faktoren bei der Entwicklung des Mobilfunknetzes aber keinen Einfluss hat.
Wie schnell man vorankommt, hänge unter anderem davon ab, welche Pilotprojekte zurückbehalten werden, so Krier. Außerdem müsse die Technik stimmen, Antennen eingekauft und Funkbänder versteigert werden. Erst dann könne das Projekt so richtig an Fahrt annehmen.
An 5G führt kein Weg vorbei
Doch 5G wird kommen. In Luxemburg. In Europa. Und weltweit. In Asien ist es sowieso schon angekommen. So oder so müssen die unterschiedlichen Akteure sich demnach darauf vorbereiten. Auch die Post steht in den Startlöchern, um sich für das neue Netz aufzustellen. Aber eben auch, weil das Unternehmen keine andere Wahl hat. Beim Datenvolumen stoßen die Mobilfunkanbieter schon bald an ihre Grenzen. Bei der Post könnte das schon 2022 oder 2023 der Fall sein. Spätestens dann bräuchte man 5G, meint Cliff Konsbruck. « Bei der Vergabe der Frequenzen Anfang 2019 werden wir uns deshalb klar positionieren », sagt er.
Das SMC weiß, dass am Internet der fünften Generation kein Weg vorbeiführen wird. Weder für die Regierung, noch für die Mobilfunkanbieter. Deshalb wolle man die Anbieter und die zukünftigen Pilotprojekte während der Testzeit finanziell unterstützen. Um welche Summe es sich konkret handelt, stehe noch nicht fest. « Die muss dann im Staatsbudget 2019 festgelegt werden », so Pierre Goerens.
Und dann ist da auch schon die Rede von 6G. Die sechste Generation wird bereits getestet. In Asien natürlich. « Das haben wir im Blick », versichert Eric Krier. « Jetzt versuchen wir aber erst einmal 5G umzusetzen. »