Mit dem Ökonomen Gabriel Zucman als Direktor startete diese Woche die von der EU finanzierte „Europäische Steuerbeobachtungsstelle“. Die Forscher sollen Ideen zur Bekämpfung der Steuervermeidung ausarbeiten. Für Luxemburg könnte dies sowohl unangenehm als auch erkenntnisreich werden.
Bessere Daten zur Verfügung stellen und neue Ideen entwickeln: So lautet der Brüsseler Auftrag an die „Europäische Steuerbeobachtungsstelle“ und das Team rund um Direktor Gabriel Zucman. Der Franzose ist hierzulande vor allem für seine heftige Kritik am Finanzplatz und an der jahrzehntelangen Blockadepolitik Luxemburgs in der Steuertransparenz bekannt. Doch vergangenes Jahr hatte der Piketty-Schüler zusammen mit Emmanuel Saez mit Vorschlägen zu einer Vermögenssteuer großen Einfluss auf den US-Wahlkampf.
„Als ich das Buch von Zucman und Saez las, dachte ich: Warum haben wir nichts Vergleichbares für Europa?“, fragte der Vorsitzende des Unterausschusses für Steuerfragen des Europäischen Parlaments, Paul Tang. Genau diese Lücke soll das nun geschaffene „Tax Observatory“ schließen. Die EU finanziert das Forscherkonsortium für zwei Jahre mit 1,2 Millionen Euro.
„Ohne politische Zielsetzung“
Die Arbeit der Forscher ist nicht ohne politische Brisanz. „Ihre Arbeit ist völlig unabhängig und passiert ohne politische Zielsetzung“, versuchte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni Kritiker zu beruhigen. Angesprochen auf seine kritische Haltung zu Luxemburg, sagte Gabriel Zucman anlässlich einer Pressekonferenz: „Wir machen Forschung und unser Ziel ist nicht, mit dem Finger auf einzelne Länder zu zeigen.“
„Wir brauchen Daten und Fakten“, erläuterte der niederländische EU-Abgeordnete Paul Tang. „Bisher laufen Steuerdebatten in Hinterzimmern. Doch Steuern sind keine technische, sondern eine höchst politische Frage“, betonte er. Ohne Datengrundlage gebe es jedoch keine öffentliche Diskussion.
Wichtige Daten wird auch das „Country-by-country reporting“ liefern, auf das sich Rat, Kommission und Parlament am Dienstag einigten. Die neuen Transparenzregeln sorgen dafür, dass große Konzerne für jedes Land Zahlen zu Einkommen und Steuern preisgeben müssen. „Die Bedeutung dieser Daten kann man nicht genug betonen. Sie sind entscheidend, um Steuervermeidung zu beobachten“, betonte Gabriel Zucman. Nachdem die Konzerne Shell und Philips ihre länderbezogenen Steuerdaten freiwillig veröffentlichten, habe sich die Debatte über Steuervermeidung in den Niederlanden grundlegend verändert, meinte Paul Tang.
170 Milliarden Euro mehr Einnahmen
Was mit diesen Länderdaten der Konzerne möglich wäre, zeigt das „Tax Observatory“ in seinem ersten Bericht, der diese Woche veröffentlicht wurde. Untersucht wurde, welche Auswirkungen eine Mindeststeuer, wie sie aktuell auf OECD-Ebene diskutiert wird, auf die Steuereinnahmen hätte. Die Forscher basieren sich dabei unter anderem auf „country-by-country“-Daten, die Konzerne bereits veröffentlichen.
Bei einer Mindeststeuer von 25 Prozent auf den Gewinnen der Konzerne würden die Mitgliedstaaten für 2021 170 Milliarden Euro mehr einnehmen. Das entspricht gegenüber dem aktuellen Steuersystem einem Anstieg um die Hälfte. Bei der aktuell politisch eher realistischen Mindeststeuer von 15 Prozent, wie sie die USA fordert, wären es immerhin noch 48 Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen.
Theoretisch würde Luxemburg davon am meisten profitieren, errechnen die Forscher. Bei einer Mindeststeuer von 25 Prozent würde Luxemburg knapp acht Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen. Das wäre knapp dreimal mehr als der Staat aktuell von Unternehmen erhält. Die Forscher dämpfen allerdings die Hoffnungen: Es sei zweifelhaft, dass Konzerne in EU-Steueroasen bleiben würden, sollte die Mindeststeuer Realität werden. Dazu zählen sie Länder wie Zypern, Irland und Luxemburg.
Allerdings untersuchte das Team auch den Sonderfall der großen Banken. Sie müssen bereits länderbezogene Daten veröffentlichen. Europäische Banken müssten bei einer 25-prozentigen Mindeststeuer insgesamt 44 Prozent mehr Steuern zahlen. Dieser Punkt ist für Luxemburg interessant, da hier ansässige Banken weniger schnell abziehen würden als Konzerne aus anderen Branchen.
Das Team um Zucman hat ebenfalls einen Simulator für einzelne Konzerne erstellt. Manche Banken zahlen in Luxemburg deutlich weniger Steuern als den Standardsatz von knapp 25 Prozent. Die schwedische Bank SEB zahlte 2019 in Luxemburg einen effektiven Steuersatz von ganzen 1,8 Prozent, die Deutsche Bank 14 Prozent.
Daten und Fakten wie diese könnten auch für das Luxemburger Parlament interessant sein, das für Ende des Jahres eine große Steuerdebatte plant.
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