Zypern steht seit Langem im Verdacht, ein Finanzzentrum für die Verwaltung von russischem Vermögen zu sein. Eine neue internationale Recherche zeigt das ganze Ausmaß dieses brisanten Geschäftsmodells. Auch an Verbindungen nach Luxemburg fehlt es nicht.
Die Geschichte Zyperns ist wechselhaft – gebeutelt von Bürgerkriegen, Spaltungen und Finanzkrisen. Es ist aber auch ein Land, das Luxemburg nicht unähnlich ist. Ein vergleichsweise kleiner Staat mit einem überdimensionierten Finanzplatz, dessen Interessen die Politik des Landes maßgeblich bestimmen.
Politisch brisant ist dabei die Vorherrschaft von russischen Investoren. Oligarchen und Großbanken sind in den Finanzstrukturen, die auf der Insel zusammengesponnen werden, eher die Regel als die Ausnahme. Nun hat eine internationale Zusammenarbeit von 270 Journalisten aus 54 Ländern während acht Monaten ein Datenleck ausgewertet, in dem sich mehr als 3,6 Millionen Dokumente befinden. Die Herkunft der Daten reicht von den frühen 1990er Jahren bis Anfang 2022, kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine.
Auch Reporter.lu war an der vom „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) koordinierten Recherche namens „Cyprus Confidential“ beteiligt.
Ex-Präsident unter Verdacht
Zypern gelangte unter russischen Einfluss, weil sich auf der Insel vor allem reiche Russen niederlassen, sagte der Journalist Boris Demash dem ICIJ. Er ist Russe und lebt seit Jahrzehnten in Zypern. Um in Russland reich zu werden, müsse man sich mit dem „System Putin“ gut stellen: „Als die Russen nach Zypern kamen, brachten sie nicht nur russische Korruption, sie brachten auch das russische organisierte Verbrechen und sie brachten Agenten der russischen Geheimdienste“, so der Kritiker des Putin-Regimes.
Wie brisant diese Verbindungen sind, wurde bereits vor vier Jahren ersichtlich. Das „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP) veröffentlichte im August 2019 eine Recherche über den damaligen Präsidenten der Republik Zypern, Nicos Anastiades. Ihm wurde über seine Anwaltskanzlei Beihilfe zur Geldwäsche vorgeworfen. In seiner Amtszeit zwischen 2018 und 2023 hatte Nicos Anastiades das Land stark nach Russland hin ausgerichtet.
Die Vorwürfe gegen ihn stritt Nicos Anastiades immer ab – auch eine Untersuchung der Anti-Geldwäsche-Einheit der zyprischen Polizei konnte keine Ergebnisse ermitteln. In einem Brief an die ICIJ beteuerte der Ex-Präsident, dass er seit 1997 „absolut keine aktive Teilnahme“ an seiner ehemaligen Anwaltskanzlei mehr habe und 2013 alle Anteile seiner Tochter überschrieben habe.
Die zyprischen Behörden reagierten defensiv auf Nachfragen von Journalisten, die am „Cyprus Confidential“-Projekt mitarbeiteten. Das dortige Finanzministerium versicherte, dass es ab März 2022 zusätzliche Aufgaben übernommen habe, um sich mit anderen Regierungsbehörden besser zu koordinieren. Zusätzlich zitieren sie eine Studie des Internationalen Währungsfonds, der zufolge die russischen Investitionen in Zypern bereits vor dem Einmarsch in die Ukraine rückläufig gewesen seien und danach noch schneller abgenommen hätten.
Alte (Luxemburger) Bekannte
Die „Cyprus Confidential“-Recherche enthüllt nun, dass die Firmen im Datenleck 96 Personen als Kunden hatten, die unter EU-Sanktionen stehen. Davon 25, die bereits seit der illegalen Annektierung der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahre 2014 auf den Sanktionslisten standen. Unter den 96 waren 44 sogenannte PEPs – Personen, die durch ihr Amt oder ihre Nähe zu Politikern oder Staatskonzernen politisch exponiert sind. Für sie gelten besonders strenge Anti-Geldwäsche-Regeln.

Insgesamt ermittelte die Recherche über 800 Offshore-Firmen und Trusts, die zu sanktionierten Personen oder Unternehmen gehören. Unter den Kunden: der „Severstal“-Gründer und ehemalige Luxemburger Honorarkonsul Alexei Mordaschow. Neben seinen Stahlwerken war Alexei Mordaschow auch für seine Anteile an dem deutschen Reiseunternehmen „TUI“ bekannt. Die Dokumente belegen, dass Alexei Mordaschow, kurz ehe er unter EU-Sanktionen gestellt wurde, genau diese Anteile im Wert von 1,4 Milliarden Euro an seine Lebensgefährtin Marina Mordaschowa überschrieb. TUI gab als Reaktion auf die „Cyprus Confidential“-Recherchen nun aber an, dass diese Transaktion nicht rechtens gewesen sei. Laut Auffassung des Konzerns sei Alexei Mordaschow immer noch der rechtmäßige Besitzer der Anteile. Indes hat Großbritannien Marina Mordaschowa ebenfalls auf seine Sanktionslisten gesetzt.
Bei der nicht geglückten Transaktion geholfen hat der zyprische Ableger von „PwC“ (ehemals „PriceWaterhouseCoopers“). Das „Big Four“-Beratungsunternehmen spielt eine zentrale Rolle in den „Cyprus Confidential“-Dokumenten. Nicht nur, weil PwC selbst mit sanktionierten Personen arbeitete, sondern auch weil viele Ex-Angestellte sich selbständig machten und trotzdem im Dunstkreis von PwC verblieben, um sich die heiklen, aber auch betuchten russischen Kunden untereinander aufzuteilen. Den Recherche-Ergebnissen zufolge soll PwC auf Zypern mit mindestens zwölf von 25 bereits seit 2014 sanktionierten Russen weiter zusammengearbeitet haben.
Das Who is Who der Oligarchen
Ein weiterer Kunde von zyprischen Firmen, der einen Bezug zu Luxemburg aufweist, ist Petr Aven. Der Mitbegründer der „Alfa-Group“ könnte nach bisher noch unveröffentlichten Justizakten, die sich im Datenleck fanden, bald in England vor Gericht stehen. Die britische „National Crime Agency“ wirft dem Oligarchen vor, mithilfe einer zyprischen Firma Sanktionen umgangen zu haben. Es handelt sich allerdings um ein zivilrechtliches Verfahren.
Auch Reporter.lu hatte kürzlich über den Oligarchen berichtet, der laut US-Sanktionsbehörden auch die Luxemburger Nationalität besaß. Inzwischen hat das US-Finanzministerium die Angaben zu Petr Aven jedoch korrigiert: Sein Eintrag im Register beinhaltet nur noch seine litauischen und russischen Staatsbürgerschaften.
Was steckt hinter „Cyprus Confidential“?
Das „Cyprus Confidential“-Projekt stützt sich auf Daten, die aus mehreren Quellen stammen. Alle sind sie wichtige Akteure am zyprischen Finanzplatz. Die Daten der Offshore-Provider „MeritServus“ und „MeritKapital“ wurden vom Recherchekollektiv „Distributed Denial of Secrets“ beigetragen. Der investigative deutsche Newsroom „Paper Trail Media“ steuerte die Dokumente aus den Unternehmen „Cypcodirect“, „ConnectedSky“, der Webseite „i-cyprus“, und der Kanzlei „Kallias and Associates“ bei. Schließlich brachte das „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP) Dateien aus der Kanzlei „DJC Accountants“ mit ins Projekt. Die Daten wurden auf der Plattform des „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) gespeichert, teils übersetzt und ausgewählten Journalisten zugänglich gemacht. Bei den Dateien im Leak handelt es sich vornehmlich um E-Mails mit angehängten Dokumenten, aber auch um Listen, die auf firmeninternen Servern gespeichert waren.
Wenig überraschend findet man Roman Abramowitsch an der Spitze der Oligarchen, die am meisten mit Firmen auf Zypern arbeiten. Mehr als 80 Trusts, die von ihm kontrolliert wurden, befinden sich in den Daten. Sie decken auch mehr auf, als bis jetzt über den Geschäftsmann bekannt war. Es geht etwa um eine Kunstsammlung, die an seine Ex-Frau übertragen wurde sowie Geldtransfers, die in die tiefsten Zirkel von Wladimir Putin reichen.
Vom Kreml bezahlter Journalist
Doch nicht nur russische Milliardäre fühlen sich von dem unzureichend regulierten Finanzplatz angezogen. Auch das syrische Regime von Baschar Al-Assad benutzte Zypern als Plattform zur diskreten Vermögensverwaltung. Ziel war es etwa, bei Ölgeschäften die westlichen Sanktionen gegen Syrien auszuhebeln.
Dank der Recherche ist den Kollegen von „Paper Trail Media“ ein nicht alltäglicher Coup gelungen. Es geht um den deutschen Journalisten Hubert Seipel, der seit Jahrzehnten die russische und vor allem die Weltsicht Putins in Büchern, Reportagen und Talkshows verbreitet. Der Verdacht, er könne dafür bezahlt worden sein, stand bereits länger im Raum. Nun konnte bewiesen werden, dass Hubert Seipel tatsächlich 600.000 Euro für seine Buchprojekte aus dem Umfeld des russischen Präsidenten bekam. Nämlich vom Oligarchen Alexei Mordaschow.
Das ICIJ und seine Medienpartner werden in den kommenden Tagen ihre Rechercheergebnisse veröffentlichen. Auch Reporter.lu ist Teil der „Cyprus Confidential“-Recherche.