Der deutsche Steueranwalt Hanno Berger gilt als Cum-Ex-Mastermind. Die Gewinne aus diesen Deals verteilten er und seine Partner über Luxemburger Gesellschaften – mit Ruling und geschützt durch das Steuergeheimnis. Doch dann kam eine Razzia, die alles verändern sollte.

Es ist der 14. Oktober 2014. Knapp 40 Beamte der Luxemburger Kriminalpolizei durchsuchen zeitgleich zwölf Firmenbüros und Privatwohnungen in der Hauptstadt und in Hesperingen. Die Luxemburger Razzia ist nur ein kleiner Teil einer koordinierten Operation in 14 Ländern weltweit. Es geht um mutmaßlichen Steuerbetrug mit Cum-Ex-Geschäften. Fonds, Banken und Firmen in Luxemburg sollen geholfen haben, den deutschen Staat um mehr als 400 Millionen Euro zu betrügen.

Im Landeskriminalamt in Düsseldorf schaut Staatsanwältin Anne Brorhilker gebannt auf eine Anzeigetafel. Darauf verfolgt sie den Fortschritt der Razzien in allen Ländern. So erzählt sie es in der „ARD“-Doku „Der Milliardenraub“. Ein Jahr lang hatte sie die weltweite Aktion mit ihrem Team in Köln geplant. Das Ziel war, hinter die Kulissen zu blicken. Zu verstehen, wie die Beteiligten über Cum-Ex sprachen, wenn sie sich unbeobachtet wähnten.

Die Drahtzieher waren entsetzt, als sie von den Razzien hörten. Die Durchsuchungen seien eine „schöne Scheiße“, fluchte der Steueranwalt Hanno Berger laut der „ARD“-Doku. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass die Ermittler sogar in Luxemburg auftauchen. Was er nicht wusste: Seine Telefone wurden abgehört.

„Kriminelle Glanzleistung“

Tatsächlich wähnte Hanno Berger seine Geheimnisse in Luxemburg in Sicherheit. Und fast wäre es so geblieben. Doch die Veröffentlichung der „Luxleaks“ knapp drei Wochen nach der Razzia sollte Luxemburg verändern. Die Justiz spielte das Steuerparadies-Spiel da bereits nicht mehr uneingeschränkt mit.

Detaillierte Einblicke in die Hintergründe der Groß-Razzia ermöglichen nun die „CumEx-Files 2.0“. Die durch das Recherchezentrum CORRECTIV koordinierte Recherche von 15 Medienhäusern weltweit, an der auch Reporter.lu teilgenommen hat, liefert neue Erkenntnisse über die Ausmaße des andauernden Skandals.

Die „Police judiciaire“ – teils in Begleitung von deutschen Ermittlern – arbeitete gründlich: In den Büros der Fondsverwalter, der beteiligten Banken, der Finanzaufsicht CSSF, der Verwahrstelle „Clearstream“ und weiterer Dienstleister wurden Rechnungen, Verträge, E-Mails und Buchhaltungsunterlagen sichergestellt. Die Presseabteilung der Luxemburger Justiz wollte die Vorgänge aus dem Oktober 2014 nicht kommentieren, da es sich um ein laufendes deutsches Verfahren handele.

Was Hanno Berger so nervös machte: Die Schaltstelle seines Systems lag in Luxemburg. Es war die „Geldverteilungsstelle“, wie es die Kölner Oberstaatsanwältin in der „ARD“-Doku beschreibt. „Das war die Stelle, wo sie die Gelder verteilt haben, die sie nach unserer Auffassung illegal vereinnahmt haben“, erklärt Anne Brorhilker. An der Umsetzung von Bergers System in Luxemburg waren zudem namhafte Akteure des Finanzplatzes beteiligt: KPMG sowie die Kanzleien „Arendt&Medernach“ und „Allen&Overy“.

Hanno Berger und seine engen Vertrauten dachten sich die Konstrukte hinter den Cum-Ex-Geschäften aus. Als ehemaliger Steuerbeamter, zuständig für deutsche Großbanken, kannte der heute 70-Jährige die Schwachstellen des Gesetzes. Doch er warb zudem Investoren an, bescheinigte in Rechtsgutachten die vermeintliche Legalität der Aktiendeals und kassierte einen Teil der Gewinne – so die Vorwürfe der deutschen Justiz. „Wir haben es hier mit einer kriminellen Glanzleistung zu tun“, stellte der Präsident des Kölner Finanzgerichts fest.

„Klima öffentlicher Vorverurteilung“

Neben dem Firmennetz zur Gewinnverteilung nahm die Staatsanwaltschaft Köln 2014 auch zwei Luxemburger Investmentfonds ins Visier, die ausschließlich Cum-Ex-Geschäfte betrieben. „Sheridan Solutions Sicav-FIS“ setzte die Idee Bergers um, US-Pensionsfonds für Cum-Ex-Geschäfte zu nutzen. „Sheridan Sicav-FIS“ war ein Projekt von Bergers Kanzleipartner. Zu der Geldverteilung und dem Modell von „Sheridan Solutions“ gibt es bereits Urteile deutscher Gerichte.

Hanno Berger selbst ist bis heute überzeugt, dass alles völlig legal war. Sein Anwalt Kai Schaffelhuber widerspricht auf Nachfrage von Reporter.lu der Darstellung der Kölner Oberstaatsanwältin. „Frau Brorhilker verfügt definitiv über sehr viel Phantasie“, schreibt er in einer E-Mail. Die Medien würden sich für die PR der Staatsanwältin missbrauchen lassen. „Über ein feindliches Klima öffentlicher Vorverurteilung soll auf die Gerichte eingewirkt werden“, so der Vorwurf des Anwalts.

Rezente Urteile deutscher Gerichte zu Cum-Ex-Geschäften würden „die wirklichen Abläufe beim Wertschriftenhandel völlig ausblenden“ und einen Sachverhalt darlegen, der sich so nicht abgespielt haben könne, betont Hanno Bergers Anwalt. Auf dem Netzwerk Linkedin spricht Kai Schaffelhuber von „politischer Strafjustiz“.

Ein geheimes Offshore-Netzwerk

Klar ist: Die in Luxemburg beschlagnahmten Dokumente brachten die Staatsanwältin Anne Brorhilker und ihre Kollegen ein entscheidendes Stück näher an die Lösung des Falls. Sie machen für die Beschuldigten möglicherweise den Unterschied aus zwischen Freiheit und Gefängnis. Aktuell sitzt Hanno Berger in der Schweiz in Auslieferungshaft. Im März 2021 begann ein erster Prozess gegen ihn vor dem Landgericht Wiesbaden. Er erschien dort nicht – aus gesundheitlichen Gründen. Im Juli wurde Berger in der Schweiz festgenommen. Seine Forderung nach Freilassung auf Kaution oder Hausarrest lehnte das Schweizer Bundesstrafgericht im August ab. Es bestehe „eine hohe Fluchtgefahr“.

Was sind die „CumEx Files“?

Cum-Ex zählt zu den größten Steuerraubzügen der Geschichte. Die „CumEx Files 2.0“ zeigen, dass dieser Betrug weitergeht. 15 Medien weltweit – darunter Reporter.lu – berichten über neue Tricks, Behörden am Limit und den globalen Schaden. Die Recherche wird koordiniert von CORRECTIV.

Die „CumEx Files“ stellen knapp 200.000 Seiten dar. Sie beinhalten Ermittlungsberichte von unterschiedlichen Behörden, Protokolle von Befragungen von Kronzeugen und Beschuldigten sowie interne Bankdokumente. Beteiligt sind internationale Medien wie „Le Monde“, „BBC“, „NBC“ in den USA und „ABC“ in Australien.

Als Grund für Fluchtgefahr gaben die Richter an, dass Hanno Berger in der Schweiz nur ein Vermögen von 5,5 Millionen Franken angegeben habe. Die deutsche Justiz wirft ihm aber vor, am Steuerraub von fast 400 Millionen Euro beteiligt gewesen zu sein. Berger solle „die mutmaßlichen Taterträge über eine undurchsichtige Struktur von Offshore-Gesellschaften weiterverschoben haben, um diese dem Zugriff der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden zu entziehen“, so die Schweizer Richter. Selbst wenn sein gesamtes Vermögen in der Schweiz beschlagnahmt werde, sei die Fluchtgefahr nicht gebannt.

Ein Ruling für dubiose Gewinne

Dass die Staatsanwälte aus Frankfurt und Köln dieses Offshore-Netz im Detail kennen, liegt maßgeblich an der Razzia in Luxemburg. Denn im Zentrum des komplexen Systems über fünf Ebenen standen zwei Luxemburger Firmen: „Stonewall Securities Sàrl“ und „Oak Consultancy Sàrl“.

Laut den Ermittlern leiteten die Firmen über Scheinrechnungen und Scheinverträge einen Teil der von den Cum-Ex-Tradern erwirtschafteten Gewinne an Berger und seine Geschäftspartner weiter. In einem Urteil des Bonner Landgerichts wird diese „Verteilungsstelle“ bereits beschrieben. Dort ging es um die Geschäfte Bergers mit Paul Mora, der auf Interpols „Most Wanted“-Liste steht.

Thomas B., der damalige Geschäftsführer von Oak und Stonewall, betont auf Nachfrage von Reporter.lu, dass er lediglich „professioneller Direktor“ gewesen sei. Er habe mit den Geschäften nichts zu tun gehabt. „Soweit ich Einblick hatte, gab es zu dieser Zeit keinen Grund, an der Rechtmäßigkeit der Geschäfte dieser Gesellschaften zu zweifeln“, schreibt er. Oak und Stonewall hätten Anleger an Banken und Fondsgesellschaften vermittelt und dafür Provisionen erhalten.

Die Erkenntnisse der Ermittler sehen allerdings anders aus: Insgesamt 92 Millionen Euro an Cum-Ex-Gewinnen flossen 2010 und 2011 an Oak, davon gingen 70 Millionen Euro weiter an Stonewall. Die Standortvorteile des Luxemburger Finanzplatzes enttäuschten nicht. Über ein Luxemburger Ruling sei die „Steuerlast“ erheblich gesenkt worden, sagte Bergers damals wichtigster Partner vor den deutschen Ermittlern aus. Tatsächlich findet sich in den „CumEx Files“ ein Ruling für die beiden Firmen.

Im Mai 2010 richtete sich Steueranwalt Jean Schaffner von der Kanzlei Allen&Overy mit den Worten „dear Mr. Kohl“ an Luxemburgs wohl bekanntesten Steuerbeamten, Marius Kohl. Die Vereinbarung mit der Steuerverwaltung sah vor, dass Oak nur auf 15 Prozent seiner Einkünfte Steuern zahlen sollte. Stonewall würde als Verbriefungsgesellschaft nur minimal Steuern zahlen. Wusste der Luxemburger Anwalt, dass der Umsatz von Oak und Stonewall aus womöglich illegalen Cum-Ex-Deals stammte? Auf Nachfrage von Reporter.lu betont Jean Schaffner, dass er dies aufgrund des Berufsgeheimnisses weder bestätigen noch dementieren könne.

„L’exception fiscale“

Die Luxemburger Verteilungsstelle hatte zudem den Vorteil, dass das Geld über sogenannte „Genussscheine“ verdeckt an Offshore-Gesellschaften von Hanno Berger und anderen weitergeleitet wurde. Im Steuerruling wurde das System transparent dargestellt. Aber die deutsche Justiz brauchte die in Luxemburg sichergestellten Dokumente, um das System im Detail zu durchschauen. Neben Oak/Stonewall bestanden noch zwei weitere Firmen-Tandems, die nach dem gleichen Prinzip funktionierten.

Doch was wäre, wenn man die Beweisstücke über die Verteilung der mutmaßlichen Taterträge einfach verschwinden lassen könnte? Für Berger und Co. wäre das ein Freibrief. Und tatsächlich gab es eine empfindliche Schwachstelle: In den internationalen Verträgen zur Rechtshilfe setzte Luxemburg für sich die „exception fiscale“ durch. Ging es ausschließlich um Steuerhinterziehung, durfte die Luxemburger Justiz keine Durchsuchungen im Auftrag ausländischer Behörden durchführen. Nur bei Verdacht auf systematischen Steuerbetrug, der einen erheblichen Schaden verursacht, leistete Luxemburg Rechtshilfe. Erst mit der Steuerreform 2017 endete dieses Vorzugsregime für Steuerhinterzieher.

Zehn Tage nach der Razzia reichte der Anwalt Philippe Penning – später bekannt als Verteidiger von Luxleaks-Whistleblower Antoine Deltour – einen Einspruch bei der Ratskammer des Bezirksgerichts Luxemburg ein. Als Rechtsbeistand von Thomas B., dem Geschäftsführer von Oak und Stonewall, argumentierte er genau mit dieser „exception fiscale“. Seine Forderung: Alle beschlagnahmten Dokumente müssten zurückgegeben und die Rechtshilfe annulliert werden.

Alain Steichens Cum-Ex-Gutachten

Tatsächlich fragte die Staatsanwaltschaft Köln im Juli 2014 Rechtshilfe wegen Steuerhinterziehung, Betrug und Erpressung an. Der Luxemburger Generalstaatsanwalt entschied aber, dass die von deutscher Seite geschilderten Vorwürfe nach hiesigem Recht dem Steuerbetrug („escroquerie fiscale“) entsprechen würden. Demnach greife die Ausnahme in Steuersachen nicht. Somit sei die Bedingung erfüllt, dass die Taten sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg strafbar seien.

Letzteren Punkt griff der Verteidiger Philippe Penning an: Cum-Ex-Geschäfte seien Finanzoperationen, die zwar steuerlich vorteilhaft seien, aber in Luxemburg völlig legal. Er stützte sich dabei auf ein juristisches Gutachten des anerkannten Steueranwalts Alain Steichen. Nach 15 Seiten Analyse des Steuerrechts kam dieser zum Schluss: In Luxemburg liege bei Cum-Ex-Geschäften „keine Gesetzeswidrigkeit“ vor, sofern Dividendenbescheinigungen vorlägen und nicht in betrügerischer Weise verändert würden.

Es gebe in der Luxemburger Steuergesetzgebung keine Regeln zu Cum-Ex-Geschäften, führte Alain Steichen Anfang 2015 aus. Grundsätzlich seien sie möglich, weil man zum Eigentümer einer Aktie werde, sobald der Kauf erfolge – nicht erst wenn man bezahle oder sie auch tatsächlich geliefert bekomme. Für den Cum-Ex-Mastermind Sanjay Shah ist diese Diskrepanz das ursprüngliche Schlupfloch, das Cum-Ex-Geschäfte legal mache.

Ratskammer bleibt bei Betrug

Auf das Gutachten angesprochen, bestätigt Alain Steichen gegenüber Reporter.lu, der Verfasser des Gutachtens zu sein. Die Frage habe ihn interessiert und da es um ein Strafverfahren ging, habe er keinen Grund gesehen, es nicht zu verfassen. Er stehe zu seiner Meinung von vor knapp sieben Jahren. Allerdings machten neue Regeln gegen Steuervermeidung Cum-Ex-Deals in Luxemburg heute wahrscheinlich unmöglich, betont der Experte.

Die Ratskammer des Bezirksgerichts Luxemburgs entschied, dass die Razzia von Oktober 2014 rechtmäßig war. Es gebe klare Anzeichen für Betrug. (Foto: Mike Zenari)

Erst im Dezember 2015 entschied die Ratskammer des Bezirksgerichts Luxemburg über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen. Die Verzögerung sorgte für Verstimmung in Köln und ließ es zunächst so erscheinen, als ob die Razzia nie stattgefunden hätte. Die Richter machten mit ihrer Entscheidung aber kurzen Prozess: Es gehe um einen Steuerschaden von mehr als 462 Millionen Euro und es sei klar, dass die Beteiligten die Steuerbehörden täuschen wollten. Alle Bedingungen seien erfüllt, damit es sich bei den Geschäften der Sheridan-Fonds um Steuerbetrug handele.

Die Ratskammer ging aber noch weiter. Der „Sheridan Solutions“-Fonds habe den Anlegern eine Rendite von zwölf Prozent pro Jahr versprochen, ohne klarzustellen, dass dies nur möglich sei, wenn die deutschen Steuerbehörden das Cum-Ex-Manöver nicht entdecken würden. Das sei Betrug. Tatsächlich hatten die Luxemburger Ermittler die Vorgehensweise im Oktober 2014 mit dem gigantischen Schneeballsystem von Bernard Madoff verglichen.

Alles ganz transparent

Als Hanno Berger 2014 von einem der Beschuldigten am Telefon von diesem Vorwurf hörte, soll er vor Wut geschäumt haben. Alles sei ganz transparent abgelaufen und schließlich habe die Luxemburger Finanzaufsicht CSSF den Sheridan-Fonds genehmigt. Es liege nur an den deutschen Steuerbehörden, dass die Anleger die versprochene Rendite nicht erhalten hätten.

Tatsächlich kann man der Gruppe um Berger nicht vorwerfen, dass sie das eigentliche Ziel verborgen hätten. Im Prospekt für die Investoren von „Sheridan Solutions“ wurde erläutert, wie das Modell funktionierte: Die Anlagestrategie setze voraus, dass die an den Geschäften beteiligten US-Pensionsfonds „eine bevorzugte Behandlung“ in Sachen Quellensteuer erhielten. Es bestünden „Erstattungsrisiken“ und im Extremfall könne dies zum „Totalverlust“ des Fondskapitals führen.

Im Klartext: Der Gewinn des Fonds sollte aus der deutschen Staatskasse kommen. Doch das Bundeszentralamt für Steuern stellte sich quer und stoppte die Erstattung der Quellensteuer in Höhe von Hunderten Millionen Euro. Im Jahresbericht des „Sheridan Solutions“-Fonds 2011 lässt sich die Panik der Verantwortlichen erahnen: „Wider Erwarten“ seien die Zahlungen ausgeblieben und deshalb sei auch kein Geld an den Luxemburger Fonds zurückgeflossen.

Die Investoren verloren 90 Prozent des Geldes, das sie in den Fonds gesteckt hatten. Darunter war auch der Geschäftsmann Carsten Maschmeyer, bekannt aus der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“. 2013 erschienen die ersten Presseartikel über „Sheridan Solutions“, weil der Drogerieunternehmer Erwin Müller gegen seine Privatbank klagte, die ihm die Investition empfohlen hatte. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung stand im Raum.

Die CSSF fragte höflich nach

Es drängt sich die Frage auf, warum die CSSF zuschaute, wie zwei streng regulierte Sicav-FIS-Fonds mutmaßlichen Steuerbetrug durchführten und dabei zum Teil auch noch das Geld der Anleger verspielten. Einer der Fonds nutzte eine besonders aggressive Cum-Ex-Variante, bei der österreichische Aktien bis zu zehnmal im Kreis gehandelt wurden, um so einen größeren Besitz vorzutäuschen und mehr Quellensteuer erstattet zu bekommen, berichtet „Profil.at“. Die österreichische Justiz ermittelt wegen unberechtigter Erstattungsanträge in Höhe von 34 Millionen Euro.

Aus den „CumEx Files“ geht hervor, dass die CSSF 2013 offenbar doch Verdacht schöpfte und bei den Verwaltungsräten von „Sheridan Solutions“ und „Sheridan“ nachhakte. Diese beschwichtigten: Es sei steuerrechtlich alles geklärt und die Presse lasse sich manipulieren. Was die Finanzaufsicht mit dieser Antwort machte, lässt sich nicht nachvollziehen. „Sheridan“ blieb bis November 2013 auf der Liste der regulierten Fonds, „Sheridan Solutions“ bis Juli 2014 .

Luxemburg war „die Stelle, wo sie die Gelder verteilt haben, die sie nach unserer Auffassung illegal vereinnahmt haben“: Die Staatsanwältin Anne Brorhilker bei der Verhandlung von Cum-Ex-Fällen vor dem Bonner Landgericht. (Foto: dpa picture alliance/Alamy Stock Foto)

Die CSSF wollte auf Nachfrage von Reporter.lu keine Stellung beziehen zu den insgesamt sieben regulierten Luxemburger Investmentfonds, die in Deutschland Gegenstand von Ermittlungen sind. Die Gründe, warum der Wachhund des Finanzplatzes untätig blieb oder zumindest zögerte, bleiben also unklar. Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt und die CSSF warnt die Fonds ausdrücklich vor Steuerstraftaten in Bezug auf Cum-Ex.

Möglicherweise vertraute die CSSF den beteiligten Luxemburger Akteuren aber auch zu sehr. Die Großkanzlei Arendt&Medernach war bei beiden Sheridan-Fonds der Rechtsberater. KPMG war der Wirtschaftsprüfer beider Strukturen. Die Prospekte der beiden Sheridan-Fonds hätten keine Verweise auf Cum-Ex-Strategien enthalten und deshalb sei Arendt&Medernach dies auch nicht bekannt gewesen, betonte die Kanzlei auf Nachfrage von Reporter.lu. Als Rechtsberater prüfe die Kanzlei, ob die Prospekte dem Luxemburger Recht entsprächen, bewerte aber nicht die Investmentstrategie.

KPMG schöpfte dagegen ab 2013 Verdacht. Zu den Jahresberichten 2012 von beiden Fonds gaben die Wirtschaftsprüfer kein Prüfungsurteil ab, da man die Werte der Anlagen nicht unabhängig habe bewerten können. KPMG forderte von „Sheridan Solutions“ ein Zweitgutachten einer internationalen Kanzlei zur Rechtmäßigkeit der Geschäfte, wie aus den „CumEx Files“ hervorgeht. Dieses stellte sie aber offenbar zufrieden. Eine Anfrage von Reporter.lu ließ KPMG bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Hanno Berger, „ein Cowboy“

Andere waren misstrauischer. Hanno Berger habe ihn vor etwa zehn Jahren kontaktiert, um ihm seine Ideen mit Cum-Ex-Geschäften vorzustellen, erzählt Alain Steichen im Gespräch mit Reporter.lu. Doch er habe sich dabei unwohl gefühlt, da ihm Berger „ein bisschen wie ein Cowboy“ vorgekommen sei. Gutachten habe er nie für Berger erstellt, betont der Luxemburger Anwalt.

Viele ließen sich jedoch von der Aura des damals anerkannten deutschen Steuerrechtsexperten täuschen. Vor allem da Hanno Berger ein ganzes Netzwerk von Juristen aufbaute, die bis in die Ministerien hinein die Auffassung verbreiteten, Cum-Ex-Geschäfte seien legal. Eine Meinung, die in Luxemburg auch heute noch bei vielen vorherrscht.

„Ein Schlupfloch gab es nie“, sagt dagegen die Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker in der besagten „ARD“-Dokumentation. Die Beteiligten hätten sich einzelne Passagen aus Gerichtsurteilen ausgesucht, aus dem Kontext gerissen und darauf ihre gesamte Theorie begründet. Im Juli bestätigte der deutsche Bundesgerichtshof, dass Cum-Ex-Geschäfte illegal sind.

Aus den „CumEx Files“ geht zudem hervor, dass Hanno Bergers Kanzlei systematisch prüfte, in welchen Ländern Cum-Ex-Deals durchgehen könnten. Auch Luxemburg stand auf ihrer Liste möglicher Opfer. Letztlich wurde die Idee aber wieder fallen gelassen – vermutlich, weil das Großherzogtum in Bergers System eine andere Rolle spielen sollte.

Hartes Durchgreifen

Anne Brorhilker beeindruckte in Luxemburg mit ihrer Hartnäckigkeit, wie aus Justizkreisen zu hören ist. Der Respekt beruht auf Gegenseitigkeit: Die Luxemburger Kollegen seien extrem professionell und routiniert gewesen und hätten schnell begriffen, um was es geht, sagt die Kölner Oberstaatsanwältin in einem neuen Interview mit „ARD Panorama“. „Die haben da wirklich auch hart durchgegriffen“, erzählt sie.

Dass Luxemburg kooperierte, lag vor allem daran, dass die hiesige Justiz die Ausnahme für Steuerhinterziehung immer restriktiver auslegte, also öfter Amtshilfe leistete. Das stellte die Juristin Marie Marty in einem Fachartikel fest. Die Politik brauchte etwas länger: Erst mit der Steuerreform 2017 führten Regierung und Parlament den Straftatbestand der schweren Steuerhinterziehung ein und hoben gleichzeitig die „exception fiscale“ auf. Dass ihre Geheimnisse in Luxemburg sicher sind, darauf können Steuerbetrüger seitdem nicht mehr bauen.


Reporter.lu recherchiert weiter zu den Verbindungen zwischen der Cum-Ex-Affäre und dem Luxemburger Finanzplatz. Wenn Sie Informationen zu diesen Geschäften haben, erreichen Sie unseren Reporter Laurent Schmit per E-Mail (öffentlicher Schlüssel), über den verschlüsselten Dienst Keybase oder über den sicheren Messenger Threema (ID: XJ8W8WWK). Alle Hinweise unterliegen dem Quellenschutz.


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