Mit welchem Personal will die CSV im Oktober die Macht zurückerobern? Auch wenn die Parteiführung nach außen das Gegenteil beteuert: Parteiintern sind die Personaldebatten längst in vollem Gange. REPORTER wagt einen Blick hinter den politisch korrekten Diskurs der CSV-Führung.

„I have the best people“: Ganz so weit wie US-Präsident Donald Trump will Claude Wiseler natürlich nicht gehen, wenn nach jenem Team gefragt wird, das im Oktober die Macht zurückgewinnen soll. Zunächst will sich der CSV-Spitzenkandidat nicht einmal auf die Frage einlassen, ob man in der Partei überhaupt schon über eventuelle Regierungsposten spricht. In der Parteiführung ist man sich einig: Diese Frage stellt sich (noch) nicht. Oder besser gesagt: Sie darf sich nach außen hin nicht stellen.

Den Eindruck einer siegessicheren Partei, die intern schon Posten verteilt, will Claude Wiseler tunlichst vermeiden. Hinter den Kulissen ist die CSV allerdings schon weiter. Selbstverständlich gibt es bereits Pläne und Szenarien für die Wahlen und die Zeit danach, heißt es von mehreren gut informierten Quellen aus der Partei. Und unabhängig von den Beteuerungen der Parteiführung geht es dabei natürlich nicht zuletzt um Personalfragen.

Jenseits des politisch korrekten Diskurses

Längst gibt es auch formale Abmachungen. Hinzu kommt eine Arbeitsteilung, die dem Konzept eines „Schattenkabinetts“ gleicht. Angelehnt an den vor allem in Großbritannien praktizierten Brauch, wonach die größte Oppositionspartei ein Team von profilierten Fachpolitikern aufstellt, das zu jeder Zeit die Regierungsgeschäfte übernehmen könnte, will auch die CSV in den Wahlkampf ziehen.

Claude Wiseler spricht im Gespräch mit REPORTER allerdings lieber von einem „Kompetenzteam“. Wer ist Teil davon? Auch hier wiegelt Wiseler in gewohnter Manier ab und sagt, dass die CSV das Glück habe, viele kompetente Politiker in ihren Reihen zu haben. Alle 23 Abgeordnete der Christsozialen seien „immens gute Leute“, sagt der Fraktionschef. Mit dem unaufgeforderten, aber vielsagenden Zusatz: „Das soll jetzt aber nicht ironisch rüberkommen…“

 

Claude Wiseler

Foto: Matic Zorman

Der CSV-Fraktionschef ist der Auserkorene, der die Schmach der Wahlniederlage und des Machtverlusts von 2013 wettmachen soll. Dass diese Erwähnung nicht selbstverständlich ist, zeigt der Weg, den der ehemalige Minister bis zu seiner Nominierung zum Spitzenkandidaten im Oktober 2016 zurücklegen musste. Trotz höchst offizieller Klärung der Kandidatenfrage konnte sich der 58-Jährige noch immer nicht vollends als natürliche Führungsfigur der Christsozialen positionieren. Der promovierte Geisteswissenschaftler und einstige Französischlehrer wird wohl nie zum wahren politischen Alphatier avancieren. Große innerparteiliche Machtkämpfe musste er in der Oppositionszeit auch noch nicht austragen.

Inhaltlich gilt Wiseler seit jeher als Vertreter des liberalen Parteiflügels. In den vergangenen Monaten führte er aber einen zunehmend konservativen, wachstumskritischen Diskurs. Dabei hat er seine wiederholten Ankündigungen von „fundamentalen Reformen“, etwa in der Renten-, Wirtschafts- oder Landesplanungspolitik, noch nicht annähernd mit konkreten Konzepten untermauert. Der Spitzenkandidat wird sich als Mann mit Premier-Format erst noch beweisen müssen.

 

Marc Spautz

Foto: Matic Zorman

Ebenso gesetzt ist Marc Spautz. Die Karriere des langjährigen Gewerkschaftsfunktionärs erhielt mit dem letzten Regierungswechsel zwar einen Knick. Angesichts der kurzen Amtszeit als Minister für Familie, Integration und Kooperation (April bis Oktober 2013) konnte der heute 54-Jährige keine Spuren hinterlassen. In der Opposition suchte er als Parteivorsitzender dann früh den Schulterschluss mit Claude Wiseler. Zusammen wollten sie die Garanten für eine möglichst reibungs- und geräuschlose Transition aus der Juncker-Ära sein. Es geht die Rede von einem frühzeitigen „Deal“ und einer Arbeitsteilung der beiden Spitzenpolitiker: Wiseler, der zögerlich-staatsmännische Ultrarationale aus dem traditionell liberalen Zentrumsbezirk sollte Spitzenkandidat werden. Spautz, der nicht nur im Süden bis in die Niederungen der Partei hervorragend vernetzt ist, der Mehrheitsbeschaffer und „Mann fürs Grobe“.

Dass der Parteichef bei einer Rückkehr der CSV in die Regierung Minister werden soll, ist ausgemacht. Aufgrund seines Profils als einer der letzten Vertreter des christlich-sozialen Gewerkschaftsflügels gelten das Arbeits- und Sozialressort als wahrscheinlich. Bis auf Weiteres bleibt Spautz allerdings Vorsitzender der größten Oppositionspartei, wo er im Umgang mit den Medien nicht immer eine glückliche Hand hatte – siehe die „Affäre“ um eine falsch adressierte SMS an Familienministerin Corinne Cahen oder jüngst die umstrittenen Äußerungen über „rosa Uniformen“ der Polizei auf einer Parteiveranstaltung.

 

Gilles Roth

Foto: Matic Zorman

Mit dem Regierungswechsel von 2013 war auch zum ersten Mal seit 1979 das Finanzministerium nicht mehr in CSV-Hand. Gilles Roth ist in der Partei der klare Favorit, um dieses Schlüsselministerium für die CSV wieder zu besetzen. Roths Aufstieg in die Regierung wäre nach fast 20 Jahren als Bürgermeister von Mamer und über zehn Jahren als Abgeordneter bei entsprechendem Wahlergebnis der logische nächste Schritt. Vor seiner nationalpolitischen Karriere hat der Jurist und Steuerexperte bereits als Spitzenbeamter im Finanzministerium gearbeitet, so dass er hier vereinzelt auf altbekannte Gesichter treffen dürfte. In Erinnerung bleibt aber auch seine kurze, undankbare Amtszeit als Fraktionsvorsitzender in der krisengeschüttelten Endphase der Regierung Juncker-Asselborn II. Parallel sah er sich Vorwürfen angesichts seiner persönlichen Rolle bei der Ausarbeitung des Allgemeinen Bebauungsplans der Gemeinde Mamer ausgesetzt.

In der Opposition übernahm Roth als Vize-Fraktionschef und finanzpolitischer Sprecher schnell eine wichtige Rolle. Neben seiner Aktivität als überfleißiger Autor von parlamentarischen Anfragen hat der 51-Jährige bereits punktuell programmatische Akzente, etwa in Sachen Steuerreform, gesetzt. Wenn es nach Roth geht, wird die CSV den Steuerzahlern im Wahlkampf weitreichende Entlastungen in Aussicht stellen. Wie das zu Wiselers Leitlinie des „Nichts versprechen, was man nicht halten kann“ passen soll, sei dahingestellt. Ebenso konnte Roth sich mit seiner betont konstruktiven Haltung zur blau-rot-grünen Steuerreform parteiintern nicht durchsetzen. Inhaltlich dürfte mit einem Finanzminister Gilles Roth in den meisten Dossiers allerdings Kontinuität großgeschrieben werden. Nicht zuletzt in internationalen Steuerfragen suchte die CSV wie in der Vergangenheit auch in der Opposition den großen überparteilichen Schulterschluss.

 

Martine Hansen

Foto: Yves Karier

Eine weitere gesetzte Ministerkandidatin ist Martine Hansen. Die ehemalige Direktorin des Lycée technique agricole in Ettelbruck wurde wie Marc Spautz im April 2013 vom damaligen Premier Jean-Claude Juncker in die Regierung berufen. Es sollte angesichts der Neuwahlen und des folgenden Regierungswechsels aber bei einer Stippvisite als Hochschul- und Forschungsministerin bleiben. Seitdem hat sich Hansen als eine von wenigen in der CSV-Fraktion offensiv als Fachpolitikerin profiliert und als mögliche Bildungsministerin in Stellung gebracht. Die 1965 in Wiltz geborene Agrarwissenschaftlerin gilt parteiintern als bodenständiges, rhetorisch versiertes Arbeitstier. Andererseits fehlt ihr als einstiger Quereinsteigerin in der Politik noch das nötige Machtnetzwerk und ist im Vergleich mit anderen Ex-Ministern auch in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannt.

Aufgrund ihrer Biografie käme die Volksvertreterin aus dem Norden auch für das Landwirtschafts- oder das Nachhaltigkeitsressort in Frage. Hansens herausragende Rolle innerhalb der CSV wird jedenfalls nicht nur durch ihr Amt als Vizepräsidentin der Partei, sondern auch durch ihre Nominierung als mögliche Spitzenkandidatin im parteiinternen Auswahlprozess von 2016 untermauert. Damals war sie zwar erwartungsgemäß chancenlos, doch ihr wird unabhängig des Wahlausgangs im Oktober eine Schlüsselrolle in der CSV zufallen.

 

Françoise Hetto

Foto: Matic Zorman

Als frühere Ministerin für Chancengleichheit, Mittelstand und Tourismus (2009-2013) gehört auch Françoise Hetto zur ersten Garde der CSV-Fraktion. In der laufenden Legislaturperiode profilierte sich die frühere RTL-Journalistin vor allem als Sprecherin zur Familienpolitik und trat oft genug im Sinn des Mitglieds eines „Schattenkabinetts“ als Gegenspielerin von Familien- und Integrationsministerin Corinne Cahen (DP) auf. Abgesehen von den latenten Kontroversen um Elternurlaub, Kindergeld und Co. ist die ehemalige Bürgermeisterin von Junglinster bisher jedoch nicht mit größeren programmatischen Vorstößen in Erscheinung getreten. Die Kombination aus Ex-Ministerbonus und voraussichtlicher Verteidigung ihrer Spitzenposition im Osten (2013 war sie in ihrem Wahlbezirk Erstgewählte) dürften Françoise Hetto allerdings genügend Argumente zum innerparteilichen Wiederaufstieg bescheren.

 

Léon Gloden

Foto: Matic Zorman

Er gilt als leiser, aber fleißiger Arbeiter in der CSV-Fraktion. Als solcher hat sich Léon Gloden in der laufenden Legislaturperiode vom Hinterbänkler zum Sprecher für Fragen der Justiz-, Verfassungs- und Polizeireform gemausert. Der bei den vergangenen Gemeindewahlen in seinem Amt bestätigte Député-Maire von Grevenmacher genießt dem Vernehmen nach das volle Vertrauen von Fraktionschef Claude Wiseler. Das könnte auch daran liegen, dass der Jurist ähnlich Politik macht wie Wiseler: Erst nachdenken, dann noch einmal nachdenken, dann, wenn es wirklich nicht anders geht, auch mal Position beziehen. Mit seinen 45 Jahren gehört er noch eindeutig zu den Jungen in der Fraktion, was ihm nach den Wahlen und dem „Verjüngungsvorhaben“ der CSV noch zum Vorteil gereichen könnte. Gloden würde im Fall des Falles als Justiz- oder Innenminister in ein Kabinett unter CSV-Beteiligung berufen werden.

 

Marc Lies

Foto: Matic Zorman

Spätestens seit Xavier Bettel weiß man, dass den Beteuerungen eines Bürgermeisters, dass er dieses Amt zu gerne ausübe, um es für einen Regierungsposten einzutauschen, nur wenig Glauben zu schenken ist. So könnte es auch im Fall Marc Lies sein. Dass der seit 2009 amtierende Bürgermeister von Hesperingen bei den letzten Kommunalwahlen die absolute Mehrheit errungen hat, sollte eigentlich ein Omen für eine lange Regentschaft als Lokalfürst sein. Andererseits ist der 49-Jährige eben auch einer der wenigen in der CSV-Fraktion, der sich in den vergangenen Jahren auf ein Dossier spezialisiert hat und diese Kompetenz für den Wechsel in eine Regierung nutzen könnte. Zumal das besagte Dossier mit dem Wohnungsbau ein Schlüsselressort in dem durch die Wachstumsdebatte geprägten Wahlkampf sein könnte.

 

Laurent Mosar

Foto: Matic Zorman

Nicht unbedingt gesetzt, aber dennoch einer der aussichtsreicheren Kandidaten ist schließlich Laurent Mosar. Allein schon wegen seiner medialen Präsenz und seines ziemlich ambivalenten Einsatzes in der Fraktion in so unterschiedlichen Dossiers wie der Außen- und Sicherheitspolitik, der Justiz, der inneren Sicherheit, der Diversifizierung der Wirtschaft oder der reflexartigen Verteidigung des Finanzplatzes muss man den früheren Parlamentspräsidenten wohl auf der Rechnung haben. Der 60-Jährige sitzt zwar schon seit 1994 im Parlament, schaffte aber in der Ära Juncker nie den Sprung in die Exekutive, was dem Vernehmen nach an seinem von Beginn an schwierigen persönlichen Verhältnis zu Juncker lag. Vielleicht will Mosar aber auch gar nicht in die Regierung, gehört er doch zu jenen Luxemburger Abgeordneten, die nebenbei als Wirtschaftsanwalt arbeiten und so wohl einiges mehr als ein Minister verdienen.

Mosar könnte bei einem Wahlsieg der CSV aber auch an seine Zeit als Parlamentspräsident anknüpfen. Ob er dort allerdings noch die Freiheit hätte, seiner in den vergangenen Jahren entdeckten und seitdem gewissenhaft gepflegten Neigung zur polemischen Twitter-Aktivität weiter nachzugehen, sei dahingestellt.

 

Viviane Reding

Foto: EU/Etienne Ansotte

Für eine Politikerin, die von sich selbst behauptet, für quasi alle Regierungsressorts in Frage zu kommen (Zitat: „Ich kann viel und stelle das meiner Partei zur Verfügung“), ist die Einordnung in ein „Schattenkabinett“ freilich nicht so leicht. Fest steht aber, dass Viviane Reding nicht in die Nationalpolitik zurückkehrt um „nur“ Abgeordnete zu werden. Vor rund zwei Jahren hat sie laut Vertrauten in der Partei ganz bewusst und in Abstimmung mit Wiseler, Spautz und Co. die Entscheidung getroffen, nach über einem Vierteljahrhundert in der EU-Politik wieder eine führende Rolle auf der nationalen Ebene zu spielen.

Die ehemalige Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission sieht sich mittlerweile gar auf Augenhöhe mit dem Spitzenkandidaten Claude Wiseler, mit dem sie als „Tandem“ in den Wahlkampf ziehen will. Doch Reding ist nicht zuletzt wegen solcher gewagter Aussagen in der eigenen Partei umstritten. „Ihr Selbstbewusstsein hat keine Grenzen, ihre Akzeptanz in der Partei allerdings schon“, ätzt etwa einer ihrer hochrangigeren Parteikollegen. Ebenso hat die EU-Abgeordnete durch ihre Nebentätigkeit in diversen Aufsichtsräten von Unternehmen, die von ihren früheren Entscheidungen als Kommissarin betroffen waren, eine weitere politische Angriffsfläche für den Wahlkampf geschaffen. Sollte die CSV den Zugriff auf das Außenministerium bekommen, wäre Reding sicher die Favoritin für dieses Amt. Realistischer wäre allerdings das Wirtschafts-, Verteidigungs- oder Kooperationsressort.

 

Sylvie Andrich-Duval

Foto: CSV

Weniger in der Öffentlichkeit bekannt, aber dafür durchaus in Partei und Fraktion als Fachpolitikerin anerkannt, ist Sylvie Andrich-Duval. Die studierte Psychologin arbeitete vor ihrer politischen Karriere als Regierungsrätin im Familien- und Integrationsministerium. Bei den vergangenen Wahlen im Südbezirk konnte sie immerhin Generalsekretär Laurent Zeimet und die langjährige Abgeordnete Christine Doerner hinter sich lassen. Seitdem hat sie sich in der Sozial-, Familien- und Gleichstellungspolitik profiliert. Die 59-jährige gebürtige Düdelingerin könnte nicht nur die Gleichstellung von Mann und Frau in einem CSV-geführten Kabinett fördern, sondern prinzipiell jedes sozialpolitische Ressort besetzen.

 

Von den Aussichtsreichen zu den Außenseitern

Neben diesen Namen hat die CSV natürlich noch weitere ministrable Politiker im Angebot. So etwa die von der öffentlich nachvollziehbaren parlamentarischen Aktivität her eher zurückhaltend anmutende Ex-Ministerriege um Michel Wolter, Octavie Modert, Marco Schank und Jean-Marie Halsdorf. Wenn man etwa die parlamentarische Arbeit von Michel Wolter in den vergangenen Monaten als Maßstab nimmt, so erscheint die Tätigkeit von einigen Hinterbänklern in der Fraktion geradezu als Hyperaktivität.

 

Michel Wolter

Foto: CSV

Dennoch ist der Ex-Minister, Ex-Parteichef und Ex-Fraktionsvorsitzende der CSV natürlich nicht zu unterschätzen, geschweige denn komplett abzuschreiben. Nach über 30 Jahren als Berufspolitiker hat Michel Wolter, so erzählt er es Journalisten ganz offen, bewusst die Entscheidung getroffen, seine politische Tätigkeit auf sein Bürgermeisteramt zu konzentrieren. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa die brüske, aber erfolglose Forderung des Rücktritts des Premiers nach dem Referendum 2015 oder die detailverliebte Kritik an Innenminister Dan Kersch im Dossier Kirchenfabriken, war Wolter im Parlamentsplenum weitgehend abwesend. Aus seinem gesteigerten Desinteresse an der nationalen Oppositionspolitik macht der Bürgermeister von Käerjeng mittlerweile auch keinen Hehl. So ist er im Gegensatz zu seinen Abgeordnetenkollegen auch nur noch in einer einzigen parlamentarischen Kommission Mitglied, nämlich dem Finanzausschuss. In einem Radio-Interview nannte der frühere Minister und Ex-Parteichef der CSV in seiner bekannt bescheidenen Art das niedrige Niveau der parlamentarischen Debatte in dieser Legislaturperiode als Grund für seine Abstinenz im Plenum. Auch wenn Wolter sich nichts mehr beweisen muss und die Lust an der nationalen Politik verloren zu haben scheint: Eine Rückkehr in die höheren Sphären der Macht ist dennoch nicht ganz ausgeschlossen.

 

Luc Frieden

Foto: Olli Eickholt/kontext.lu

Ein weiterer Veteran der christlich-sozialen Politik, der eigentlich auf dieser Liste stehen müsste (und wollte), ist schließlich Luc Frieden. Der ewige Kronprinz von Ex-Premier Jean-Claude Juncker hat allerdings selbst laut Parteifreunden so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann, um ein Comeback in der Regierung anzutreiben. Kurz nach dem Regierungswechsel von 2013 legte Frieden sein Abgeordnetenmandat nieder, verabschiedete sich in die Privatwirtschaft und überließ somit kampflos Wiseler, Spautz und Roth das innerparteiliche Feld. „Die Rolle als Oppositionspolitiker passt weniger zu meinen Charaktereigenschaften“, lautete damals seine bis heute in der Partei nachhallende Erklärung.

Vor rund zwei Jahren sondierte er dennoch das innenpolitische Terrain für ein Comeback. Dabei ersparte er sich nicht die Schmach, im internen Parteifindungsprozess für die Spitzenkandidatur leer auszugehen und eckte jüngst durch seine aktive Rolle als Verwaltungsratspräsident im Medienunternehmen „Saint-Paul“ an. Parallel hat er sich jedoch von der Partei- und Fraktionsführung der CSV zusichern lassen, dass er für den 2019 nach aller Voraussicht nach frei werdenden Luxemburger EU-Kommissarposten das erste „Zugriffsrecht“ hat. Dass es zur Einlösung dieser Abmachung kommt, ist allerdings alles andere als ausgemacht.

 

Laurent Zeimet

Foto: Matic Zorman

Laurent Zeimet ist ein Fall für sich. Als Generalsekretär der CSV müsste der ehemalige Journalist („Luxemburger Wort“) eigentlich in den internen Personaldebatten eine herausragende Rolle spielen. Dass dies nicht der Fall ist, liegt vor allem daran, dass der 43-Jährige diese Legislaturperiode eher zur kommunalpolitischen als zur parlamentarischen Profilierung nutzte. All seine Kraft schien der Bettemburger Député-Maire auf die Verteidigung seiner dünnen schwarz-blau-grünen Mehrheit im Gemeinderat zu verwenden, was ihm bei den Kommunalwahlen im vergangenen Oktober auch gelang. Doch auch seitdem hat der erst im Zuge des Wechsels von Jean-Claude Juncker nach Brüssel Ende 2014 ins Parlament nachgerückte Zeimet seinen Ruf als engagierter Innenpolitiker nur sehr sporadisch gepflegt. Noch sporadischer trat Zeimet in den vergangenen Wochen zudem als Sprecher für Umweltfragen auf. Demnach könnte der Eintritt in eine Regierung für ihn noch etwas zu früh sein. Denkbar wäre eher, dass der loyale Parteisoldat nach den Wahlen den Posten des Fraktionschefs übernimmt.

 

Frank Engel

Foto: EU/Europäisches Parlament

Einer, der laut Parteikreisen ebenso gerne zur engeren Auswahl des „Kompetenzteams“ gehören würde, ist Frank Engel. Der CSV-Abgeordnete im Europäischen Parlament liebäugelte in einem Interview selbst mit einem Comeback in die nationale Politik. Für ihn spricht ohne Zweifel seine internationale Erfahrung. Mit seinem Hang zu freigeistigen Alleingängen und mitunter politisch unkorrektem Klartext steht er sich und damit einem eventuellen Karrieresprung allerdings oft genug selbst im Weg. So war sein jüngstes kurzzeitiges rhetorisches Gastspiel in der nationalen Politik selbst seinen Unterstützern in der Partei ein Stück zu leichtsinnig. Wie es heißt, sei Engel mit seinen umstrittenen Äußerungen zur Personalpolitik der Regierung vor allem bei dem auf unnötige Fehler- und Kontroversenvermeidung bedachten Fraktionschef Claude Wiseler in Ungnade gefallen.

 

Serge Wilmes

Foto: Matic Zorman

Weniger in Ungnade gefallen als in die Pflicht genommen, wurde mit Serge Wilmes schließlich einer der wenigen, jüngeren Hoffnungsträger der CSV. Der Fall Wilmes zeigt nämlich, wie weit die internen Personaldebatten in der CSV unabhängig von den Beteuerungen der Parteiführung gehen können. Schon zu Beginn des vergangenen Jahres gaben dem Vernehmen nach Claude Wiseler und Marc Spautz dem 35-Jährigen zu verstehen, dass sie ihn gut und gerne als Spitzenkandidaten für die Kommunalwahlen in der Hauptstadt sehen würden. Allerdings gab es bei dem verlockenden Angebot der Parteiführung einen Haken: Falls Wilmes bei den Wahlen Erfolg haben, also für die CSV in den Schöffenrat einziehen sollte, würde man ihn für die weitere Postenverteilung auf nationaler Ebene nicht berücksichtigen. Das war wohlgemerkt fast zwei Jahre vor dem Termin der Parlamentswahlen. Nach gewissem Zögern willigte Wilmes ein und wurde später bekanntlich Schöffe in der Hauptstadt. Er persönlich kann die internen Diskussionen, die in den kommenden Wochen sicher noch zunehmen werden, also eher entspannt und aus sicherer Entfernung beobachten.

Von den Köpfen zu den Inhalten, und zurück

Dass es diese Debatten überhaupt gibt, ist für jede Partei im Grunde normal. Für eine Partei, die erst zum zweiten Mal in der Nachkriegszeit nicht in der Regierungsverantwortung ist, 23 von 60 Sitzen im Parlament besetzt und der in den Umfragen konstant ein Wahlsieg im kommenden Oktober vorausgesagt wird, ist es das allemal. Und dennoch kann Claude Wiseler natürlich nicht anders, als hinter verschlossenen Türen Zurückhaltung anzumahnen und gegenüber der Presse gebetsmühlenartig zu betonen, dass solche Debatten verfrüht seien und es der CSV ohnehin auf einen von Inhalten geprägten Wahlkampf ankomme.

Genau hier liegt aber das wahre Problem der ungewohnten Rolle als Oppositionspartei. Genügend Kandidaten werden sich für eine mögliche Rückkehr in die Regierung schon finden. Doch warum und wofür genau die CSV überhaupt wieder in die Regierung will – diese Frage ist noch weitgehend ungeklärt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass für einige der ministrablen Christsozialen ein Kabinettsposten keine Frage der inhaltlichen Profilierung, sondern aus der Erfahrung einer langjährigen Regierungspartei ein Zweck an sich zu sein scheint.

Köpfe und Inhalte: Beides hängt freilich miteinander zusammen. Denn Programme, Reformkonzepte und politische Visionen fallen nicht vom Himmel. Sie erfordern Kandidaten, die sie kompetent und überzeugend an die Wähler vermitteln können. Zumal in Luxemburgs personalisiertem Wahlsystem gemeinhin keine Inhalte gewählt werden, sondern Köpfe, die bestenfalls als glaubwürdige Verkörperung von Inhalten wahrgenommen werden können.

Das weiß auch Claude Wiseler. In diesem Sinn könnte er im Wahlkampf sogar noch auf die Idee kommen, dass es in seiner Partei nicht zu viel, sondern nicht genug Debatten und politischen Streit gibt. Denn dem Wahlsieg wird letztlich alles untergeordnet, und sei es die politisch korrekte Zurückhaltung vor Personaldebatten. Nicht auszudenken ist für ihn und sein Kompetenzteam jedenfalls, dass am Ende alle 23 „immens guten Leute“ sich fünf weitere Jahre im Schatten einer blau-rot-grünen Regierung bewegen müssen.