Ein vom Medienminister in Auftrag gegebenes Audit zeichnet ein nüchternes Bild von Luxemburgs Filmbranche. Zwar erfülle der staatliche „Film Fund“ seine Aufgabe, doch es gebe auch Missstände. Premier Xavier Bettel kündigt indes die von der Branche geforderte Budgeterhöhung an.
Mitten im Wahlkampf riefen die Filmproduzenten eine Krise aus. Sie forderten mehr Geld von Premier und Medienminister Xavier Bettel (DP). Doch dieser spielte auf Zeit und gab ein Audit in Auftrag – das sich als vergiftetes Wahlgeschenk herausstellte. Der Bericht der Beraterfirma „Value Associates“, der im November abgeschlossen wurde und REPORTER vorliegt, konfrontiert die Branche mit unbequemen Wahrheiten.
Der Kontext: Die rund 34 Millionen Euro, mit denen der Staat jährlich die Produktion von Filmen fördert, reichten nicht mehr. 2018 waren die Mittel bereits Mitte des Jahres aufgebraucht. Die Branche brachte deshalb eine Erhöhung auf 50 Millionen Euro jährlich ins Gespräch. Zum Vergleich: Die Philharmonie erhielt vom Staat im vergangenen Jahr 21,5 Millionen Euro, das Mudam 7,1 Millionen Euro. Und der „gratis“ öffentliche Transport soll 41 Millionen Euro kosten.
Zahl der Filme explodiert, Zuschauerzahl sinkt
Die Bilanz des Audits ist ernüchternd: Die Zahl der Luxemburger Filme steigt explosionsartig, aber genauso drastisch sinkt das Interesse an ihnen. 3,5 Prozent der Einwohner schauen sich einmal im Jahr einen Luxemburger Film an. Im Schnitt sahen 2.700 Personen einen Luxemburger Film im Kino. Bei einer üblichen Förderung von 1,5 Millionen Euro pro Film, bedeutet das konkret: Jeder Zuschauer wird mit über 500 Euro subventioniert.
Der Staat fördere die Produktion von Filmen, doch der wirtschaftliche und kulturelle Niederschlag werde nicht von Anfang an bedacht, lautet das Urteil der Berater. Die Produzenten könnten von einer „quasi vordefinierten Gewinnmarge“ ausgehen. Sprich, ob sich Zuschauer für den Film finden, ist für die Vergabe der staatlichen Hilfen irrelevant.
Ein vom Staat abhängiger Wirtschaftszweig
Das führt zu einer enormen Abhängigkeit der Branche vom Staat. Die Berater äußern sich verblüfft über die Art und Weise, wie die Filmproduzenten dem Auswahlkomittee gegenübertreten: Sie hätten den Anspruch, die geforderten Finanzhilfen zu erhalten, seien aber nicht unbedingt fähig, Fragen zur Suche nach Investoren im Ausland zu beantworten. Im Audit ist die Rede von einer Haltung „proche de l’assistanat“. Die Reaktionen der Produzenten auf Entscheidungen des Filmfonds seien „emotional“ und Ausdruck einer mangelnden Professionalität.
Der Bericht hebt hervor, dass der „Film Fund“ zwar regelmäßig Audits der Produktionsfirmen durchführen lasse. Allerdings seien diese Prüfungen oberflächlich. Es gehe vor allem um die Zahlungsfähigkeit der geförderten Unternehmen. Interessant wäre aber auch die „positiven Ergebnisse mancher Unternehmen zu erklären, die im Luxemburger Umfeld überraschen“, so die Berater von „Value Associates“.
Tatsächlich geht es der Branche besser als es manche ihrer Protagonisten behaupten. Die großen Produzenten „Iris Productions“ und „Bidibul“ etwa verzeichnen hohe Gewinne. REPORTER berichtete Ende September im Detail über das „Finanzgebaren“ des „Film Fund“.
Die positive Wirkung allein auf deren Wirtschaftlichkeit zu reduzieren, wäre unangemessen.“Xavier Bettel, Premier- und Medienminister
Erst seit 2018 will der „Film Fund“ überhaupt wissen, ob Einnahmen aus den unterstützten Projekten zu erwarten sind. Laut Gesetz sind die Beihilfen des Fonds nämlich zurückzuzahlen, wenn die Einnahmen die Ausgaben übersteigen. Doch das passiert selten: 2016 wurden gerade mal 0,04 Prozent der Beihilfesumme zurückgezahlt.
Ein ökonomisches Nullsummenspiel
Nicht nur werden die Beihilfen nicht zurückgezahlt, sondern auch der wirtschaftliche Mehrwert ist quasi null. Es gebe keinen Hinweis, dass die Luxemburger Branche mehr Geld erwirtschafte als über die Beihilfe vom Staat in den Sektor eingespeist werde, lautet das drastische Urteil des Audits. Zwei Drittel der Ausgaben des „Film Funds“ fließen in die Gehälter, die bei den Filmprojekten gezahlt werden.
Es würden demnach auch Kosten entstehen, wenn die Förderung von einem Tag auf den anderen gestoppt werde: Das Arbeitslosengeld der in der Filmbranche Beschäftigten würde den Staat so viel kosten wie die aktuellen Beihilfen – zumindest bis die Personen einen neuen Job gefunden hätten. Die Filmförderung ist demnach ein klassisches Nullsummenspiel.
Laut Premier- und Medienminister Xavier Bettel (DP) habe das Audit bestätigt, dass die Filmbranche eine sehr große Bedeutung für Luxemburg hat „und auch als wirtschaftlicher Zweig durchaus wichtig ist“. Von REPORTER auf den mangelnden wirtschaftlichen Nutzen angesprochen, sagt Bettel: „Die positive Wirkung allein auf deren Wirtschaftlichkeit zu reduzieren, wäre unangemessen.“
Xavier Bettel nimmt Branche in Schutz
Auf Nachfrage betont Bettel zudem, dass die politischen Schlussfolgerungen aus dem Audit „in enger und guter Zusammenarbeit mit der Branche“ ausgearbeitet werden sollen. „Die Filmproduzenten tragen eine gewisse Verantwortung“, sagt er. Gemeinsam sei man darum bemüht, „für größtmögliche Transparenz zu sorgen“. Dabei gehe es auch darum, „mit falschen Vorurteilen aufzuräumen“, so der zuständige Minister, ohne jedoch in diesem Punkt konkreter zu werden.
Allerdings teile er auch die Meinung, dass das System zur Vergabe der staatlichen Hilfe noch „mehr Effizienz und Transparenz“ vertragen könne, so Bettel weiter. Gleichzeitig kündigt er auf Nachfrage aber bereits eine Erhöhung des Budgets des „Film Fund“ an. Um genaue Zahlen zu nennen, sei es jedoch noch zu früh.
Ein Direktor, um den sich alles dreht
Zwischen den Zeilen des Berichts lässt sich deutliche Kritik an „Film Fund“-Direktor Guy Daleiden (DP) herauslesen. Auffällig ist etwa, dass er alleine und ohne Begrenzung über die Gelder auf einem Bankkonto bei der ING verfügen kann. Auf diesem Konto waren Ende 2017 knapp 49.000 Euro.
Auch in anderen Bereichen ist die Organisation des „Film Fund“ ganz auf den seit 1999 amtierenden Direktor ausgerichtet. Sein Sekretariat umfasst drei Mitarbeiter, dagegen werden die Filmprojekte in der Realität von gerade mal 2,5 Vollzeitstellen betreut. Hier brauche es eine andere Aufteilung, so die Berater: weniger administrative Stellen und mehr Projektbearbeiter.
Auch bei der Auswahl der Projekte spielt Guy Daleiden eine zentrale Rolle. Zusammen mit der Vizedirektorin Karin Schockweiler ist er Teil des „Comité de sélection“. Daleidens Dominanz ist laut Audit eine der größten Sorgen der Filmproduzenten. Der Direktor sei oft dem Druck mancher Branchenvertreter ausgesetzt, sagten sie den Beratern. Außerdem befürchten andere, dass die Machtkonzentration beim Direktor dazu führe, dass ihr Unternehmen weniger Fördermittel erhalte. Das Audit kommt allerdings zum Schluss, dass der Direktor am Auswahlprozess beteiligt sein sollte.
Direktor Guy Daleiden genieße weiterhin „absolut“ sein Vertrauen, sagt Xavier Bettel. Das Personal des „Film Fund“ leiste „eine sehr gute Arbeit“. „Es ist eine schwierige Aufgabe, mit vielen verschiedenen Interessenvertretern zu harmonieren“, so der Premier. Dabei handele es sich „sicherlich um eine Branche, in der subjektive und objektive Bewertungen zuweilen aufeinander prallen“.
Vorbereitungen für Reform dauern an
Insgesamt erfülle der „Film Fund“ seine Aufgabe, lautet das Fazit des Audits. Die Krise ergebe sich aus der wachsenden Zahl der Förderanträge. Angesichts des fehlenden wirtschaftlichen Mehrwerts und der bescheidenden Zuschauerzahlen sprechen sich die Berater gegen eine Erhöhung der Fördermittel aus, ohne dass es zu einer Reform komme.
In ihrem Bericht schlagen sie eine kurzfristige Erhöhung des Budgets von aktuell 34 Millionen Euro vor. Die nötigen Mittel könnten aus der Reserve des Fonds kommen, die Fördermittel für noch ausstehende Projekte enthält und sich laut Audit aktuell auf 59 Millionen Euro beläuft. Da manche der Filmprojekte nie abgeschlossen würden, könnten diese Gelder angezapft werden, so das Audit.
Es soll ein neues Fördersystem ausgearbeitet werden, um das Budget mit dem Förderbedarf der Branche in Einklang zu bringen. Dazu müssten die Qualitätskriterien hoch geschraubt werden und jene Projekte favorisiert werden, die einen Mehrwert für Luxemburg oder das Ausland versprechen. Das könnte tiefgreifende Folgen für die Branche haben, warnen die Berater: Man müsse mit Fusionen und Übernahmen zwischen den Produktionsfirmen rechnen.
Eine grundlegende Reform ist nicht abzusehen. Der Prozess zur Umsetzung der Empfehlungen des Audits sei noch nicht abgeschlossen, sagt Medienminister Xavier Bettel. Es gebe Arbeitsgruppen und Hearings mit Produzenten und anderen Branchenvertretern, und auch schon erste konkrete Vorschläge. „Wenn diese Arbeit abgeschlossen ist, wird dies auch öffentlich vorgestellt.“
*Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Artikels war von einer Summe von 50 Millionen Euro die Rede, die auf einem einzigen Konto des „Film Fund“ zur Verfügung stehen würden. Das ist falsch. Richtig ist, dass sich die gesamte Reserve, die für laufende Filmprojekte reserviert ist, auf rund 59 Millionen Euro beläuft und auf verschiedene Bankkonten verteilt ist. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.
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