Xavier Bettels Reaktion auf seine Plagiatsaffäre ist ein Paradebeispiel für eine missglückte politische Kommunikation. Sein Auftritt vor der Presse wirkte improvisiert. Seine Aussagen waren ebenso verblüffend wie irreführend und könnten für den Premier noch zum Problem werden.
„Danke für die Gelegenheit, dass ich heute auch darauf reagieren kann“: Schon der erste Satz, mit dem Xavier Bettel auf die Frage nach seiner Plagiatsaffäre antwortete, machte hellhörig. Denn anders, als es der Premier am vergangenen Freitag auf einem Pressebriefing darstellte, war es er selbst, der einer Konfrontation mit dem Thema bisher aus dem Weg ging. Für die Luxemburger Presse war es die erste Gelegenheit seit Bekanntwerden des Plagiatsbefundes um Xavier Bettels Abschlussarbeit, den Betroffenen persönlich darauf anzusprechen.
Was folgte, war eine sehr ausführliche Reaktion. Xavier Bettel nahm sich Zeit und versuchte nicht, den Sachverhalt herunterzuspielen. Allerdings wählte der Premier eine durchaus kreative Verteidigungslinie, um sich für den Befund des flagranten Plagiats in seiner Abschlussarbeit aus dem Jahre 1999 zu rechtfertigen. Gegen den Eindruck des Täuschungsversuchs wehrte sich Bettel nämlich, indem er behauptete, dass er es damals nicht besser gewusst habe.
Doch die Argumentation ist gleich in mehrerer Hinsicht problematisch. Denn das Ausmaß der plagiierten Passagen in der Abschlussarbeit „Vers une réforme possible des modes de scrutin aux élections du Parlement Européen?“ lässt kaum Zweifel zu. Ein Plagiat dieser Dimension fällt nicht vom Himmel. Entweder es geschah mit Absicht und unter bewusstem Täuschungsvorsatz. Oder der Plagiator will nicht gewusst haben, dass man in einer akademischen Abschlussarbeit nicht einfach ohne Quellenangaben seitenlang fremde Texte übernehmen darf. Xavier Bettel entschied sich offensichtlich für die zweite Alternative.
„Ja, ich verstecke es ja nicht“
Das Abstreiten der absichtlichen Täuschung ist jedoch nur scheinbar die bessere Alternative zum reumütigen Geständnis, dass man beim Tricksen erwischt wurde. Die Rechtfertigung eines Plagiats ist in jedem Fall eine rhetorische Herausforderung. Für einen Spitzenpolitiker, bei dem jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, ist sie eigentlich zum Scheitern verurteilt. So war es auch bei Xavier Bettel. Bei seinem Auftritt vor der Presse gab sich der Regierungschef zwar viel Mühe. Er sprach wortreich und emotional. Seine Gestik und Mimik deuteten darauf hin, dass das Thema ihm nahe zu gehen scheint. Doch den Kern des Vorwurfs und damit der Infragestellung seiner Glaubwürdigkeit konnte er nicht entkräften.
Die intellektuelle Recherche ist nicht gut. Die intellektuelle persönliche Recherche ist nicht gut.“Xavier Bettel über die Qualität seiner Abschlussarbeit
Nach mehrfachem Nachfragen von Journalisten räumte Xavier Bettel das Plagiat nämlich implizit ein. „Ich habe eine Reihe von Punkten, rechts und links, zusammen kompiliert. Ja, ich verstecke es ja nicht“, sagte der Premier. Dabei lässt die Wortwahl durchaus aufhorchen. Ein Plagiat, was so viel wie „Diebstahl geistigen Eigentums“ bedeutet, will Bettel zwar nicht begangen haben. Doch er gesteht, seine Arbeit aus verschiedenen Quellen „kompiliert“ zu haben. Die Herkunft des gewählten Wortes „kompilieren“ (laut Duden: „lateinisch compilare = ausplündern, berauben“) macht die Sache aber nicht besser.
Es war aber nicht die einzige verblüffende Passage in der Rede. So überlegt und professionell die erste schriftliche Reaktion des Staatsministeriums auf die Plagiatsaffäre war, so spontan und unvorbereitet muteten die Ausführungen des Premiers vor der Presse an. Dazu gehörte etwa das wiederholte Beteuern, wonach er nicht „gefuddelt, getrickst oder irgend so etwas getan“ habe …
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